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Stadionbau – ja oder nein? Der lange Weg zum Ratsbeschluss 1971

Zwischen den ersten Ideen für ein neues Stadion und dem ersten Spatenstich verging rund ein Jahrzehnt. Die Verwaltung favorisierte eine Modernisierung der „Roten Erde“, die für Borussia Dortmund längst ein Standortnachteil geworden war. In einer leidenschaftlich geführten Ratssitzung wurde am 4. Oktober 1971 der Neubau beschlossen. 

Als der DFB-Bundestag am 28. Juli 1962 im Goldsaal der Dortmunder Westfalenhalle die Gründung der Fußball-Bundesliga zur Saison 1963/64 beschloss, spielte der BVB in der „Roten Erde“. Die war 1926 eröffnet worden und, obwohl noch keine 40 Jahre alt, nicht mehr zeitgemäß. 

Vieles war in Dortmund, der seit 1951 größten Industriestadt Nordrhein-Westfalens, in jener Epoche auf Fortschritt ausgelegt. Das Zechensterben deutete sich erst an, die Krise in der Montan- und Stahlindustrie war noch ein Stück weit entfernt, als im Tiefbauamt der Stadt Dortmund die Planungen für eine U-Bahn („Stadtbahn“) Fahrt aufnahmen. 1965 wurde der Bau der Technischen Universität beschlossen und innerhalb von nur drei Jahren umgesetzt. 

Nur in Sachen Stadion drehte man sich seit Jahren im Kreis. Zwar gab es bereits seit den frühen 1960er-Jahren Überlegungen hinsichtlich eines Neubaus, aber wirklich weiter gekommen war man nicht. Als Borussia Dortmund 1963/64 ins Halbfinale des Europapokals der Landesmeister vorgedrungen war, überlegte der Klub, für dieses Großereignis ins Niedersachsenstadion nach Hannover umzuziehen, um große Kasse zu machen. Nach Protesten der Fans wurde der Plan verworfen. Das Hinspiel gegen Inter Mailand fand vor 42.356 Zuschauern im Stadion Rote Erde statt. Es endete 2:2 unentschieden. 

Ausbau der Roten Erde oder ein neues Stadion?

Die Gegengerade war in jenen Jahren überdacht und um ein paar Reihen aufgestockt, zudem die südliche Kurve mit dem Marathontor um eine Stahlrohrtribüne ergänzt worden. Doch das war alles in allem nicht mehr als Flickwerk. Von den zunächst 16, dann 18 Spielstätten in der Bundesliga waren neun größer und mehr als diese neun komfortabler. 

Während sich der Stadtrat wiederholt dafür aussprach, den Bau für ein neues Stadion zu untersuchen, ließ die Verwaltung diese Beschlüsse in den Schubladen verschwinden und favorisierte angesichts sinkender Steuereinnahmen den Ausbau der „Roten Erde“. Doch immer offensichtlicher wurde, dass zunächst der Bestand aufwändig hätte saniert werden müssen, ehe an einen Ausbau hätte gedacht werden können. 

Am 6. Juli 1966 erhielt der Deutsche Fußball-Bund nach zuvor mehreren erfolglosen Bewerbungen den Zuschlag für die Austragung der Weltmeisterschaft 1974. Auch Dortmund zeigte Interesse, Gastgeber bei diesem Ereignis sein zu wollen, doch die Vorgaben des Weltverbandes FIFA, der mindestens 60.000 Plätze verlangte, ließen sich nicht mit den Plänen vereinbaren, die Sportdezernent Erich Rüttel ausgearbeitet hatte. Sein im Mai 1970 im Rat eingebrachter Vorschlag, das neue Stadion in Fertigbauweise zu errichten, brachte den Durchbruch. Auch ohne WM-Spiele. 

Denkwürdige Ratssitzung zum Stadionbau

Der Oktober des Jahres 1971 war dann von außerordentlicher Bedeutung: Am 4. Oktober stand in den Reinoldi-Gaststätten die entscheidende Ratssitzung über den Bau eines neuen Stadions an der Strobelallee unmittelbar neben der altehrwürdigen Kampfbahn „Rote Erde“ auf dem Programm. Zwei Tage zuvor hatte eine BVB-Delegation mit Udo Remmert und Alois Scheffler an der Spitze Repräsentanten der Stadt eine Petition von mehreren tausend Fußballfreunden überreicht, die mit ihren Unterschriften dafür plädierten, das „Zwillingsstadion“ zur „Roten Erde“ auf jeden Fall zu bauen. Auch dann, wenn Dortmund – und so sah es damals aus – keine WM-Stadt 1974 werden sollte. 

Wegen des großen überregionalen Presse-Interesses war der Rat aus Platzgründen aus dem alten Stadthaus an der Betenstraße in die Reinoldi-Gaststätten umgezogen. Dieser 4. Oktober war der unausweichlich letzte denkbare Zeitpunkt, um noch rechtzeitig die Entscheidung über den Stadionbau zu treffen und zu gewährleisten, dass man die Arena Anfang 1974 ihrer Bestimmung übergeben konnte. 

In der denkwürdigen Sitzung zu dem Großprojekt ging die unterschiedliche Haltung der Ratsmitglieder quer durch die Fraktionen. Der Abstimmung war eine leidenschaftliche, aber sehr sachliche Diskussion zwischen Gegnern und Befürwortern vorausgegangen. Warum ein solches Stadion, obwohl Dortmund zu diesem Zeitpunkt nicht als WM-Stadt für 1974 in Frage kam? Warum eine neue Arena für den BVB bauen, der kurz vor dem Absturz in die zweite Bundesliga stand? Und das auch noch, obwohl man viele große soziale Probleme hatte, in die man hätte investieren können, ja, müssen. Nicht nur im Rat, sondern auch in der Bevölkerung war das Für und Wider leidenschaftlich diskutiert worden. 

Es wurde – eine absolute Ausnahme – auf Antrag der Stadiongegner namentlich abgestimmt. Der Fraktionszwang war aufgehoben. Die FDP-Fraktion stimmte geschlossen mit „Nein.“ Das Stimmenergebnis belief sich letztlich auf 40 Ja- und 13 Nein-Stimmen, wobei die Zustimmung in der SPD-Fraktion im Verhältnis zur CDU deutlich höher war. Mit dem nun vorliegenden positiven Ratsbeschluss war die Diskussion dann auf einen Schlag beendet, und man versammelte sich demokratisch korrekt gemeinsam hinter dem Neubauprojekt. 

Text: Boris Rupert, Gerd Kolbe 

Der Text stammt aus dem Mitgliedermagazin BORUSSIA. BVB-Mitglieder erhalten die BORUSSIA in jedem Monat kostenlos. Hier geht es zum Mitgliedsantrag.

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