Nachricht
Schwarzgelbe Sternstunden aus 50 Jahren Stadion
23.06.1976 | Aufstiegsspiel (Rückspiel)
BVB – 1. FC Nürnberg 3:2 (1:0)
Vier Jahre nach dem Abstieg erreichte Borussia Dortmund den zweiten Platz in der 2. Bundesliga Nord. Nach 31 Spieltagen hatte die Mannschaft Rang eins an Tennis-Borussia Berlin verloren, sich aber im Kampf um Platz zwei gegen Preußen Münster durchgesetzt und erhielt damit die Chance, im Duell mit dem Süd-Zweiten 1. FC Nürnberg den dritten Erstliga-Aufsteiger zu ermitteln. Nach einer langen Saison mit 38 Spielen (22 Siege, acht Unentschieden, acht Niederlagen) kam es zu einer doppelten Pikanterie. Der „Club“ wurde von Borussias Torwart-Legende Hans Tilkowski (Europapokalsieger 1966 und Vize-Weltmeister) trainiert, und sein Nachfolger stand auch schon fest: Der aktuelle BVB-Trainer Horst Buhtz hatte für die kommende Saison in Nürnberg unterschrieben. Er steckte folglich in einem Gewissenskonflikt, der weder ihm selbst noch dem BVB zuzumuten sei, entschied dessen Präsident Heinz Günther und schloss, obwohl sich die Mannschaft für Buhtz ausgesprochen hatte, „in freundschaftlicher Atmosphäre“ einen Aufhebungsvertrag mit dem Fußballlehrer.
So saß am 17. Juni beim Hinspiel vor 55.000 Zuschauern im Städtischen Stadion zu Nürnberg Otto Rehhagel auf dem Trainerstuhl. Der damals 37-jährige Essener war in einer Nacht-und-Nebel-Aktion bei Werder Bremen losgeeist worden und coachte Borussia zu einem 1:0-Erfolg. Obwohl der BVB ein halbes Dutzend klarster Chancen hatte, dauerte es bis zur 85. Minute, ehe Egwin Wolf der wichtige Treffer gelang. Zudem sah Nürnbergs Libero Rudolf Hannakampf nach einem rüden Foul an Hans-Werner Hartl die Rote Karte und war damit für das Rückspiel gesperrt.
Eine gute Ausgangsposition also, nicht aber eine Garantie für das entscheidende zweite Duell sechs Tage später vor vollem Haus. Das entwickelte sich dann auch zu einem echten Krimi. Wie unbändig der Siegeswille der Westfalen war, zeigt die Energieleistung von Peter Geyer. Der Dortmunder rasselte bereits in der Anfangsphase heftig mit Nürnbergs Manfred Rüsing zusammen, musste außerhalb des Spielfeldes behandelt werden, wankte zurück auf den Rasen, erzielte in der 23. Minute das 1:0, ehe er nach gut einer halben Stunde regelrecht k.o. ging. Als Schiedsrichter Ferdinand Biwersi zur Pause pfiff, war Geyer schon auf dem Weg Richtung Unfallklinik, wo er – wieder bei Besinnung – keinerlei Erinnerung hatte: „Tor – ich weiß von nichts!“ Diagnose: schwere Gehirnerschütterung.
Die zweite Halbzeit entwickelte sich zu einer regelrechten Aufstiegsschlacht. Miodrag Petrovic glich nach einer Stunde per Freistoß für die Franken aus, und auch auf Hartls 2:1 (74.) hatte der Club eine Antwort. Hans Walitza egalisierte fünf Minuten später zum 2:2 (79.). Das Zittern ging weiter. Erst Lothar Hubers Siegtor mit der „linken Klebe“, von deren Existenz er bis dahin selbst nichts gewusst hatte, besiegelte in der 89. Minute den Wiederaufstieg. Im Westfalenstadion brachen alle Dämme, die Fans stürmten den Rasen, in der Kabine spritzten Sektfontänen.
15.01.1977 | Bundesliga (18. Spieltag)
BVB – Hamburger SV 4:4 (2:3)
Eines von zwei Unentschieden in unserem Rückblick. Ein halbes Jahr nach dem Aufstieg trat der HSV zum Rückrundenstart in Dortmund an. Viermal führten die Hamburger auf tückischem Boden. „Dieses Spiel stellt alles in den Schatten, besser kann kein Krimi sein“, sagte der damalige Manager der Hamburger, Peter Krohn, hinterher. Zwischen der 21. und der 26. Spielminute fielen vier Tore: zunächst das 1:1 durch Manfred Burgsmüller (21.), nachdem Willi Reimann die Gäste früh in Führung gebracht hatte (9.), dann das 1:2 durch Arno Steffenhagen (23.), das Geyer postwendend egalisierte (25.), doch unmittelbar danach unterlief Huber ein Eigentor. Als Burgsmüller in der 57. Minute auf 3:3 stellte, antwortete Horst Bertl nur zwei Minuten später mit dem 3:4. In der Schlussphase gab es einen Elfmeter für den BVB, den Huber in der 89. Minute zum 4:4 versenkte. In der Schlussminute scheiterte Erwin Kostedde mit einem Kopfball am Innenpfosten.
17.05.1986 | Relegation (Rückspiel)
BVB – Fortuna Köln 3:1 (0:1)
Ein 4:1 bei Hannover 96 am 34. Spieltag reichte nicht. Aufgrund der um zwei Treffer schlechteren Tordifferenz gegenüber Eintracht Frankfurt (verlor an diesem letzten Saisonspieltag mit 0:1 in Hamburg) musste der BVB in die Relegation mit dem schwer angezählten Zweitliga-Dritten Fortuna Köln. Die Südstädter hatten die Tabelle sechs Spieltage vor dem Saisonende noch angeführt. Bei Borussia ging die Tendenz mit zwei Siegen, einem Remis und nur einer Niederlage aus den finalen vier Ligapartien eher in die andere Richtung. Doch was auf dem Papier nach einer Formsache aussah, entwickelte sich in Spiel eins vor 44.000 Zuschauern im Müngersdorfer Stadion ganz anders. Der Zweitligist dominierte, gewann durch Tore von Bernd Grabosch (53.) sowie Karl Richter (75.) verdient mit 2:0 und kam vier Tage später in Dortmund mit ganz breitem Kreuz aus dem Spielertunnel.
Bernd Grabosch erwischte den BVB bei brütender Hitze eiskalt und schraubte das Ergebnis mit seinem frühen Führungstreffer zum 1:0 (14.) in der Addition beider Spiele auf 3:0. So stand es auch zur Pause, und die Hoffnungen der Dortmunder wurden immer geringer. Was dann geschah, war nicht nur die unglaubliche Wiederauferstehung einer totgesagten Mannschaft, sondern mehr noch einer der Wendepunkte in der Vereinsgeschichte. „In der Halbzeit war es ganz ruhig in der Kabine“, erinnerte sich Jürgen Wegmann: „Da konnte man eine Stecknadel fallen hören.“ Er aber habe „den Jungs gesagt, dass dieses Spiel erst in den letzten Minuten entschieden“ werden würde ...
In der zweiten Halbzeit spielte der BVB auf die Südtribüne und die Fans standen nach dem Motto „Jetzt erst recht“ wie ein Mann hinter dem Team. Nach dem schnellen Ausgleich durch einen ebenso umstrittenen wie von Michael Zorc sicher verwandelten Strafstoß (53.) „gab es einen Sturmlauf auf ein Tor, und nach 68 Minuten macht der Marcel Raducanu auf Flanke von Daniel Simmes ein sehr schönes Kopfballtor“ (Weg- mann). Dortmund führte, aber ein Tor fehlte – und es fehlte auch noch kurz vor Schluss. Wegmann über die letzte Minute: „Noch heute sehe ich die große Stadionuhr vor mir, die Zeiger drehten sich unerbittlich. Der Abpfiff rückte immer näher, wir waren körperlich am Ende, die Beine waren schwer, der Kreislauf spielte verrückt, und auch das Publikum hatte die Hoffnung eigentlich schon aufgegeben. Doch ich spürte tief in mir, dass da noch etwas gehen musste.“
Und das ging so: Bernd Storck kam im Mittelfeld an den Ball, flankte ihn vom rechten Flügel aus der Drehung blind an die Strafraumgrenze. Doppel-Kopfballverlängerung durch Zorc und Daniel Simmes. Das Leder fiel im Sechzehner Ingo Anderbrügge vor die Füße, der zog es fast von der Torauslinie von links mit links scharf vor das Tor. Kölns bis dahin überragender Keeper Jacek Jarecki konnte den Ball nicht festhalten. „Der Torwart macht einen kleinen Fehler, lässt den Ball abprallen – und ich stehe dann da, wo man als Stürmer stehen sollte, und drücke ihn irgendwie rein“, so Wegmann. Das Stadion glich einem Tollhaus, das Spiel wurde unmittelbar nach dem Mittelanstoß abgepfiffen. Und weil die damalige Europacup-Regel, nach der bei einem Remis in der Addition beider Spiele die Auswärtstore doppelt zählten, in dieser Relegation nicht zur Anwendung kam, gab es ein Entscheidungsspiel auf neutralem Platz, das der BVB im Düsseldorfer Rheinstadion mit 8:0 gewann.
06.12.1994 | UEFA-Pokal, Achtelfinale (Rückspiel)
BVB – Deportivo la Coruna 3:1 (0:0, 1:0) n.V.
Am Nikolausabend des Jahres 1994 musste der BVB im eigenen Stadion ein 0:1 aus dem Hinspiel umbiegen. In der 50. Minute gelang Zorc für seine nervös aufspielende Mannschaft mit dem 1:0 in der Addition beider Spiele der Ausgleich. Zweimal trafen die Iberer in der Folge durch Fran (59.) und Salinas (68.) die Latte. Mit Glück ging es also in die Verlängerung, und in der hatte Deportivo das Geschehen nicht nur im Griff – der Gast holte in der 102. Minute auch zum scheinbar finalen Schlag aus, als Alfredo nach einem Sensations-Lupfer plötzlich frei vor Stefan Klos auftauchte und den Ball zum 1:1 über den Keeper hinweg ins lange Eck setzte. Schockstarre auf den Rängen. Nun benötigte das Team von Ottmar Hitzfeld zwei Tore – und es waren nur noch 18 Minuten zu spielen. „Ich habe den Spielern schon oft gepredigt, dass selbst zwei Minuten vor dem Ende nichts entschieden und ein Wunder im Fußball immer möglich ist“, sagte der Trainer später. Ob er auch daran geglaubt hat, sagte er nicht.
Die meisten Zuschauer jedenfalls hatten den Glauben und die Hoffnung verloren; viele hatten sich bereits auf den Heimweg gemacht und die Sitzreihen auf den Tribünen ließen deutliche Lücken erkennen, als Matthias Sammer im Mittelfeld in wilder Entschlossenheit den Ball eroberte, Andreas Möller in den Strafraum flankte und wer sonst als Kalle „Air“ Riedle zum 2:1 vollendete. Es war die 116. Minute. Nur noch ein Tor fehlte. Aber auch nur noch vier Minuten verblieben. Der Uhrzeiger drehte sich weiter. Einmal, zweimal, dreimal, viermal. Noch ein letztes Mal der BVB, ein letzter Angriff. Bodo Schmidt, der Manndecker, fräste sich in zentraler Position durch den spanischen Beton, von seinem Schienbein prallte der Ball Lars Ricken vor die Füße. Der 18-Jährige, als Joker eingewechselt, guckte nicht nach rechts und nicht nach links. Er schaute in den Tunnel, und am Ende des Tunnels stand das Tor. Mit dem rechten Fuß nagelte Ricken den Ball aus zehn Metern Entfernung via Lattenunterkante ins Netz. Ein Schuss mitten ins pure Glück.
09.04.1997 | Champions League, Halbfinale (Hinspiel)
BVB – Manchester United 1:0 (0:0)
Eine Mannschaft gespickt mit Stars forderte Borussia Dortmund heraus, den Deutschen Meister von 1995 und 1996, bei dem die Chemie aber nicht mehr stimmte. Zu viele Diven und zu viele Alpha-Männchen. Etliche Leistungsträger waren zudem verletzungsanfällig. So absolvierte Libero Sammer nicht einmal die Hälfte der Bundesliga-Partien und wurde auch in der Mehrzahl der Spiele vom Österreicher Wolfgang Feiersinger vertreten – ausgezeichnet übrigens. Der einzige Kitt, der dieses Team noch zusammenhielt, war der extreme Erfolgsanreiz in der Königsklasse. Die Aussicht, nach zwei nationalen Meisterschaften auch den kontinentalen Titel zu gewinnen. Also rissen sie sich zusammen, wann immer sie die europäische Bühne betraten.
Ottmar Hitzfeld musste im Hinspiel auf Karlheinz Riedle, Steffen Freund, Julio Cesar, Stéphane Chapuisat, Jürgen Kohler, René Schneider und Ibrahim Tanko verzichten. Alle verletzt. Zudem war Matthias Sammer gesperrt. Ein Fußball-Feuerwerk war folglich nicht zu erwarten. Es wurde auch keines. Stattdessen ein Kampfspiel auf schwierigstem Boden. Es waren die Jahre, in denen der Rasen im Westfalenstadion bis ins Frühjahr hinein eher an einen Acker erinnerte. Auf dem war Geduld gefragt, weil Manchester United hinten sicher stand und nach vorne wenig unternahm, während Borussia die nötige Kreativität und die Ideen abgingen, um das Bollwerk zu knacken. Nichts für die Fußball-Ästheten unter den 48.500 Zuschauern also. Nach der Pause wurden die Gäste dann sogar mutiger. Nicky Butt scheiterte am linken Pfosten, und auch bei David Beckhams Schuss war BVB-Torwart Stefan Klos schon geschlagen – doch Martin Kree rauschte aus dem Nichts heran und erwischte den Ball kurz vor der Linie. 0:0 – und noch eine Viertelstunde zu spielen, als Paulo Sousa im Mittelfeld einen englischen Befreiungsschlag abfing und dann etwas ganz und gar Unglaubliches geschah. René Tretschok, Dortmunds Ersatzstürmer, dem bis dahin wenig gelungen war, stibitzte dem divenhaften Portugiesen das Leder vom Fuß. Ein krasser Fall von Majestätsbeleidigung! Sousa drehte genervt ab – Tretschok zog beherzt ab – Pallister fälschte unglücklich ab – Torwart van der Gouw hob zu spät ab. 1:0! Das Westfalenstadion bebte, und selbst Sousa jubelte mit. Sieben Wochen später spielte Borussia Dortmund um den größten Titel, den es im Vereinsfußball zu gewinnen gibt – und holte ihn.
13.09.2008 | Bundesliga (4. Spieltag)
BVB – Schalke 04 3:3 (0:2)
Unter dem neuen Trainer Jürgen Klopp hatte der BVB einen sauberen Saisonstart hingelegt, sieben Punkte aus den ersten drei Saisonspielen. Bei einem Erfolg im Derby winkte sogar die Tabellenführung – wie allerdings auch für Schalke. Während bei der Borussia von Anfang an (fast) gar nichts ging, ging beim Erzrivalen nach einer kurzen Abtastphase (fast) alles. Jefferson Farfán brachte die Gäste durch einen von Neven Subotic verschuldeten Handelfmeter in Führung (21.). Kurz darauf die erste krasse Fehlentscheidung des Schiedsrichter-Gespanns, als Schalkes Außenverteidiger Rafinha gegen Nelson Valdez auskeilte. Eine glasklare Tätlichkeit, für die es aber nur die Gelbe Karte gab. Ausgerechnet jener Rafinha, der längst hätte unter der Dusche stehen müssen, erhöhte sechs Minuten vor der Pause auf 0:2. Das Derby hatte seine erste Geschichte. Heiko Westermann staubte in der 54. Minute zum 0:3 ab, und hätte Kevin Kuranyi kurz darauf nicht die Riesenchance zum 0:4 leichtfertig verdaddelt, das 132. Revierderby hätte sich für die Schwarzgelben zweifellos zu einem fürchterlichen Fiasko entwickelt.
So aber begann um 16:54 Uhr, im WDR-Hörfunk wurde gerade die Bundesliga-Konferenz eingeläutet, ein neues Spiel. Das „Derby reloaded“, sozusagen. 67. Minute: Alex Frei bringt vor der Südtribüne einen Eckball nach innen, Subotic steigt zum Kopfball hoch – 1:3. 71. Minute: Der Brasilianer Tinga spielt Frei frei. Der Schweizer drischt das Leder unhaltbar zum 2:3 ins Netz. Ärgerlich für Schalke: Frei stand beim Zuspiel klar im Abseits. Der Schiri-Assistent lässt die Fahne unten. 73. Minute: Christian Pander sieht wegen wiederholten Foulspiels die Gelb-Rote Karte. Schalke in Unterzahl. 77. Minute: Fabian Ernst packt gegen Jakub Blaszczykowski die Blutgrätsche aus. Glatt Rot. Schalke in doppelter Unterzahl – und so kurios es klingt: Eigentlich hätten zu diesem Zeitpunkt nur noch sieben Schalker Feldspieler auf dem Platz stehen dürfen. Doch Rafinha kam zwischen den beiden Feldverweisen gegen seine Teamkollegen zum zweiten Mal an diesem Tag um einen Ausschluss herum. Diesmal wäre Gelb-Rot wegen wiederholten Foulspiels angesagt gewesen.
Nur noch 2:3 also. Dazu zweifache Überzahl. Und noch 13 Minuten zu spielen. Der SIGNAL IDUNA PARK wurde zum Hexenkessel – und der letzte Akt in diesem Derby-Drama stand noch aus.
89. Minute: Jakub Blaszczykowski köpft Mladen Krstajic aus kurzer Entfernung an. Der Schalker bekommt den Ball an den angelegten Oberarm. Schiri Wagner sagt: Handspiel! Und gibt, weil sich die Szene im Strafraum zutrug, Elfmeter. Frei tritt an. Frei verwandelt – 3:3. Die Südtribüne detoniert.
Und wer weiß, was in diesem Spiel noch passiert wäre, hätte der Unparteiische nicht pünktlich abgepfiffen, sondern die fünf Minuten nachspielen lassen, die mindestens fällig gewesen wären. Die Schiedsrichter-Kabine verließ Lutz Wagner erst um 19:55 Uhr, zweieinhalb Stunden nach Spielende. Zuvor hatte er sich die Aufzeichnung der Partie in voller Länge angeschaut.
9.04.2013 | Champions League, Viertelfinale (Rückspiel)
BVB – FC Malaga 3:2 (1:1)
Nach einem 0:0 im Hinspiel mit deutlichen Vorteilen für den BVB und einer Masse ausgelassener Torchancen musste Borussia das Rückspiel gewinnen. Und hatte angesichts der hohen Erwartungen schwere Beine. Das 0:1 durch Joaquin war zwar der erste Torschuss der Andalusier, aber ganz so überraschend kam der Gegentreffer nicht. Und als Eliseu im Abseits stehend das 1:1 durch Robert Lewandowski konterte, war nach 82 Minuten eigentlich alles klar: Dortmund raus, Malaga weiter.
Denn als Marco Reus in der bereits laufenden Nachspielzeit zum 2:2 ausglich, fehlte immer noch ein Tor zum Weiterkommen (nach 0:0 im Hinspiel und jetzt 2:2 sprach die Auswärtstor-Arithmetik für die Andalusier). Nun ergriff Stadionsprecher Norbert Dickel die Initiative: „Und weiter Jungs, und weiter Jungs!“, brüllte er ins Mikro.
Hören wir rein in die Reportage im BVB-Netradio. Danny Fritz: „Jetzt kommt das Wunder von Dortmund. Zwei Minuten müssten wir mindestens noch haben. Lewandowski jetzt mit der Flanke in die Mitte. Die kommt nicht schlecht. Schieber. Reus. Reus in die Mitte. Nun mach’ ihn rein! Tor, Toor, Tooor, Toooor, Tooooor, Toooooor, Tooooooor, Toooooooor, Tooooooooor – Toooooooooor für Borussia Dortmund!!! DREI ZU ZWEI! – WIR RASTEN ALLE AUS! – Der ganze BVB is’ auffem Rasen! Ich pack’ es ja nicht. Ich pack’ es nicht. Ich weiß gar nicht, wer es gemacht hat. Das ist sowas von scheißegal gerade.“
Hans-Joachim Watzke mochte es kaum glauben: „Ich habe zunächst ganz lange auf den Linienrichter geschaut, weil ich in Sorge war, dass er die Fahne noch hebt. Als das nicht passiert ist, lagen mir meine Sitznachbarn auf der Tribüne schon in den Armen. Sie hatten völlig die Contenance verloren. Ich weiß nicht mehr, was ich genau gemacht habe.“ Um 4:30 Uhr in der Nacht postete Ilkay Gündogan bei Facebook: „Ich kann immer noch nicht schlafen.“
24.04.2013 | Champions League, Halbfinale (Hinspiel)
BVB – Real Madrid 4:1 (1:1)
Es war das größte Fernsehereignis auf Dortmunder Boden seit dem WM-Halbfinale 2006 zwischen Deutschland und Italien. Millionen saßen weltweit vor den Fernsehschirmen, als Schwarzgelb den größten Klub der Welt zum Halbfinal-Hinspiel um die Königsklasse herausforderte. 65.829 Menschen hatten sich Eintrittskarten sichern können für das bis dahin (und bis heute) spektakulärste Heimspiel in der BVB-Geschichte. Die Partie stand unter keinem guten Stern, denn tags zuvor war durchgesickert – oder lanciert worden –, dass sich der aufkommende Bundesliga-Star Mario Götze zur kommenden Saison dem FC Bayern München anschließen würde.
Die Stimmung war dennoch von der ersten Sekunde an bombastisch. Und sie explodierte erstmals, als Robert Lewandowski den Deutschen Meister nach sieben Minuten und 39 Sekunden mit 1:0 in Führung schoss. Im Anschluss an eine umstrittene Aktion, in der man Elfmeter für Borussia hätte pfeifen können, vielleicht sogar müssen, kam Real aus dem Nichts durch Ronaldo zum Ausgleich (43.). Doch mit einem lupenreinen Hattrick und seinen Treffern Nummer zwei, drei und vier schoss Lewandowski die Borussia bis zur 67. Minute mit 4:1 in Front. Und das kam so: Götze, dessen Wechselabsichten mit Anpfiff keine Rolle spielten, köpfte den Ball aus Madrids Strafraum zurück Richtung Sechzehnmeter-Linie. Marco Reus hielt drauf, Lewandowski stoppte die Kugel, drehte sich und bugsierte sie flach ins rechte Eck (50.). Ähnlich die Situation fünf Minuten später. Marcel Schmelzer versuchte es links am Sechzehner, der etwas verunglückte Schuss geriet zur perfekten Vorlage für Lewandowski, der den Ball neun Meter vor dem Tor technisch perfekt stoppte und zum 3:1 unter die Torlatte knallte (55.). Borussia spielte wie im Rausch. Xabi Alonso stoppte Reus regelwidrig; bei der zweiten elfmeterreifen Szene innerhalb weniger Minuten zeigte Schiedsrichter Kuipers auf den Punkt, und Lewandowski, dem an jenem Abend alles gelang, erhöhte auf 4:1 (67.). In der Schlussphase rettete Roman Weidenfeller zweimal den auf dem Papier klaren Vorsprung, der in den Schlussminuten des Rückspiels jedoch wie Eis in der Sonne schmolz. Mats Hummels hatte es geahnt: Während sich Fußball-Europa nach dieser BVB-Gala im Hinspiel vor Begeisterung überschlug, hielt sich diese in der BVB-Kabine in Grenzen. „Wir stehen noch lange nicht mit einem Bein im Finale, höchstens mit dem kleinen Zeh“, meinte der Abwehrspieler. Ein 0:2 im Bernabeu aber reichte dann knapp zum Einzug ins Champions-League-Finale.
06.10.2018 | Bundesliga (7. Spieltag)
BVB – FC Augsburg 4:3 (0:1)
„Es war ein fantastisches Spiel für alle mit so vielen Emotionen“, schwärmte der damalige BVB-Trainer Lucien Favre nach einem Happy End in der sechsten Minute der Nachspielzeit. Obwohl es eine Partie mit vielen Rückschlägen war, standen die Zuschauer – und das im Wortsinn – geschlossen hinter der Mannschaft. Sie hätten nach verrücktem Spielverlauf am Ende auch ein 3:3 bejubelt. Augsburgs Trainer Manuel Baum konstatierte: „Es war extrem schwierig, weil man das Gefühl hatte, hier stehen nicht nur elf Spieler auf dem Platz, sondern mehr.“
Seine herausragend gut aufspielende Mannschaft hatte zur Pause nicht unverdient durch einen – allerdings umstrittenen Treffer – von Alfred Finnbogason mit 1:0 in Führung gelegen. Nach gut einer Stunde glich der kurz zuvor eingewechselte Paco Alcácer aus, doch Philipp Max schoss den FCA erneut in Front (71.). Was ab der 80. Minute passierte, war der Wahnsinn auf Rasen. Innerhalb von vier Minuten machten erneut Alcácer und der ebenfalls eingewechselte Mario Götze aus einem 1:2 ein 3:2. Das Stadion stand Kopf! Doch es dauerte nur drei weitere Minuten, bis Gregoritsch eine Ecke zum 3:3 einköpfte. Die Schwarzgelben kannten an jenem Nachmittag aber nur eine Richtung: nach vorne, nach vorne. Eine allerletzte Chance gab es dann noch in Minute 90 plus sechs: Nach Foul an Achraf Hakimi wollte Raphael Guerreiro zum Freistoß antreten, doch dann kam Alcácer, signalisierte „Ich habe eine bessere Idee“ und schoss den Ball aus 23 Metern rechts über die Mauer zum 4:3 ins Netz. Es war die letzte Aktion im Spiel. Der Rest war Party pur.