Story
Norbert Dickel: Der Held am Mikro
Am 15. Dezember 1989 – ein regnerischer Freitagabend im Düsseldorfer Rheinstadion – endet die Karriere des Fußballers Norbert Dickel. Sie endet standesgemäß: In der 90. Minute gelingt ihm sein 50. und letzter Treffer im BVB-Dress: zum 1:1-Endstand gegen die Fortuna.
In genau 108 Spielen hat er das Trikot von Borussia Dortmund getragen und exakt 50 Tore geschossen. Mit dem Namen Dickel verbindet man die erste Epoche der sportlichen Renaissance des BV Borussia 09.
Im Juni 1986 erst in der Relegation dem Abstieg entronnen, beschert die Verpflichtung der beiden Angreifer Norbert Dickel (1. FC Köln) und Frank Mill (Borussia Mönchengladbach) den erhofften Aufschwung: Platz vier im Jahr danach – und dann, am 24. Juni 1989, der Triumph im DFB-Pokal: 4:1 im Finale gegen Werder Bremen. Norbert Dickel – diese Geschichte ist tausendmal erzählt – gelingt nach sechswöchiger Verletzungspause ein traumhaftes Comeback, er erzielt die Tore zum 1:1 und 3:1.
Doch das Knie macht nicht mehr mit. Er quält sich durch die Reha, verbringt unzählige Stunden auf der Autobahn auf dem Weg zu Spezialisten. Sechs Mal läuft er noch auf. Am 15. Dezember 1989 ist dann Schluss mit der Karriere: 50 Tore in 108 Spielen – eine phantastische Quote.
Nach Intermezzi als Verkäufer von Antriebstrommeln für Förderbandanlagen, später für Einbauküchen und schließlich bei einem großen Sportartikelhersteller beginnt am 22. August 1992 die zweite BVB-Karriere für Norbert Dickel. Er löst Bruno „Günna“ Knust ab, den über Dortmund hinaus bekannten und heute noch ebenso beliebten wie erfolgreichen Entertainer – und wird selbst zu einem. Dickel ist unverwechselbar. Er ist Kult. „Wir singen Norbert, Norbert – Norbert Dickel: Jeder kennt ihn, der Held’ von Berlin.“ Dieses Ritual hat sich bislang 425 Mal vor der Südtribüne abgespielt. Allein in der Bundesliga. Dickel, mittlerweile auch schon knapp über 50, kann vieles, aber eines nicht: mit angezogener Handbremse agieren. „Und hier ist die Mannschaftsaufstellung von Borussia Dortmund“, ruft – pardon schreit – er ins Mikro: „Im Tor mit der Nummer 38 Roman...“
Jüngst feierte er sein 25. Dienstjubiläum als Stadionsprecher. In diesen 25 Jahren hat er nur ein einziges Spiel verpasst, wegen einer schweren Erkältung. „Ich empfinde es nach wie vor als große Ehre, diesen Job machen zu dürfen“, sagt Nobby und bekennt: „Ich bin vor jedem Spiel genauso nervös wie vor dem ersten.“ Vor dem Heimspiel gegen Hertha BSC wurde er von Präsident Dr. Reinhard Rauball geehrt – und vom Publikum gefeiert.
Dickels Stellenbeschreibung beschränkt sich allerdings nicht auf zwei Mal 45 Minuten plus Rahmenprogramm während der Heimspiele. Bei seinem Dienstantritt im Jahr 1992 gab es den Begriff „Marketing“ in Deutschland noch nicht, aber genau das machte er von Beginn an: Sponsoren finden, Kontakte pflegen. „Stadionsprecher ist der kleinste Teil meiner Arbeit“, erläutert der Moderator von „BVB total!“, dem TV-Kanal von Borussia Dortmund. Zudem ist er häufig als Repräsentant des Klubs unterwegs und seit immerhin 18 Jahren auch schon die Stimme im BVB-Netradio.
Boris Rupert