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Interview

BVB-Frauen: Auf zu neuen Ufern

Nach dem Aufstieg starten die BVB-Frauen am kommenden Sonntag (27.08.) gegen Drolshagen in die Landesliga-Saison. Erstmalig geht die Frauenfußballabteilung von Borussia Dortmund in dieser Spielzeit mit drei Mannschaften an den Start. Die neugegründete U17-Mädchenmannschaft ergänzt das Vorhaben, den Frauenfußball beim BVB weiter zu fördern. Anlässlich der Neuerungen blicken Abteilungsleiterin Svenja Schlenker und Cheftrainer Thomas Sulewski im Interview zurück auf die vergangenen Jahre und die bevorstehende Saison.

In den vergangenen zweieinhalb Jahren ist so viel passiert. Sind die Erinnerungen an den Start Anfang 2021 verblasst oder noch präsent?
Svenja Schlenker: „Es ist erst zwei Jahre her, aber es fühlt sich so an, als wären es fünf. Es hat sich so viel ereignet, wir sind so schnell gewachsen.“

Thomas Sulewski: „Wenn man darüber spricht, ist die Erinnerung sofort wieder da. Es war eine spannende Zeit, weil wir virtuell ins Blaue hineingeplant haben. Niemand wusste: Was dürfen wir wann machen? Es war eine anspruchsvolle, aber spannende Phase, die wie im Flug verging.“

Was waren die Höhepunkte in diesen zweieinhalb Jahren?
Sulewski: „Wie viele soll ich nennen?“

Drei.
Sulewski: „Die Zusage, Trainer bei Borussia Dortmund werden zu dürfen. Der Sieg im Aufstiegsspiel der ersten Saison. Und das Pokalspiel gegen den VfL Bochum.“

Obwohl die Partie gegen Bochum in der ersten und bis heute einzigen Pflichtspiel-Niederlage endete?
Sulewski: „Es war ein spezieller Abend gegen eine Mannschaft, die drei Klassen höher spielt und eine unfassbare Qualität hat. Wir wussten Stunden vorher nicht: Wie viele Zuschauer kommen, weil das Wetter scheußlich war? Spielen wir auf Rasen, spielen wir auf Kunstrasen? Dass uns am Ende über 1000 Leute bei Nieselregen und Temperaturen um den Gefrierpunkt unterstützt haben, bleibt unvergesslich.“

Schlenker: „Mich auf drei Höhepunkte zu beschränken, fällt mir nicht leicht. Ich würde zusätzlich ins Jahr 2020 zurückgehen, in dem wir beschlossen haben, die Abteilung zu gründen und sich herauskristallisierte, dass ich sie leiten darf. Ganz oben steht definitiv das Aufstiegsspiel 2022; da ging es um alles oder nichts…“

… und fing nicht gut an: Platzverweis in der 20. Minute …
Schlenker: „… und ganz früh waren wir nur noch zu zehnt. Aber wir haben auch das gemeistert.“

Gab es auch Enttäuschungen oder Momente, über die ihr heute denkt: „Das hätten wir besser machen können“?
Schlenker: „Enttäuschung finde ich zu hart formuliert. Wir sind immer noch im Aufbau, wir machen immer noch vieles zum ersten Mal, sammeln jeden Tag Erfahrungen. Das total Charmante an dieser Abteilung ist, dass wir alles so machen können, wie wir glauben, dass es das Richtige ist. Dass das nicht immer der Fall ist, versteht sich von selbst. Wir sind in einem permanenten Lernprozess. Wenn etwas nicht gut war, optimieren wir es beim nächsten Mal.“

Sulewski: „Für mich ist es wunderschön, als Trainer in diesem Umfeld zu arbeiten. Die Zeit bis jetzt war grandios. Was mir schwerfällt: Spielerinnen enttäuschen zu müssen, wenn ich ihnen sage: Für die kommende Saison reicht es nicht mehr. Zur Kehrseite der Medaille gehört bei allen schönen Dingen, die man erleben und die man feiern darf, so etwas zum Sport mit dazu. In diesem Jahr war es erstmals ein bisschen extremer, mehreren Spielerinnen sagen zu müssen, dass wir sie nicht mitnehmen können..."

Warum gibt es keine Mannschaft für die Spielerinnen, die sich sportlich nicht für die nächste Liga qualifiziert haben?
Schlenker: „Diese Überlegung hatten wir tatsächlich, aber wir stoßen auf dem Trainingsgelände am Rabenloh an unsere Grenzen, was Trainingszeiten angeht. Die U17 ist eine weitere, die dritte Mannschaft, die einen Trainingsplatz benötigt. Und damit sind die Kapazitäten aufgebraucht.“

Die ersten beiden Spielzeiten waren von großer Neugierde von außen und damit auch von vielen emotionalen Momenten begleitet. Der Reiz des Neuen könnte im dritten Jahr verflogen sein, der Weg zu namhaften Gegnern aber ist noch weit. SV Hohenlimburg und Borussia Dröschede heißen die prominentesten Kontrahenten in der kommenden Spielzeit. Beginnt jetzt der steinige Weg?
Schlenker: „Dass er lang werden würde, wussten wir von Anfang an. Egal, wie der Gegner heißt, werden die Spiele immer attraktiver, weil die Qualität der eigenen und der gegnerischen Mannschaft von Jahr zu Jahr besser wird. Es wird bestimmt nicht langweilig werden. Wir haben einen harten Kern an Fans, der uns zu jedem Spiel begleitet, auch zu vermeintlich nicht so namhaften Gegnern.“

Sulewski: „Zu Beginn der Vorbereitung spiele ich gerne gegen richtig starke Gegner, gegen Regionalligisten oder Teams aus der oberen Tabellenhälfte der Westfalen- oder Niederrheinliga, um von Anfang an eine Standortbestimmung zu haben. Wo stehen die Spielerinnen? Woran müssen wir arbeiten, um sie auf das nötige Niveau zu hieven? In der kommenden Saison wird es für uns definitiv schwieriger. Je höher man kommt, desto besser werden die Gegner. Brechten hat sich zum Beispiel enorm verstärkt. Das werden mit Sicherheit zwei interessante Spiele. Wir werden für jede Mannschaft der Gegner sein, gegen den man topmotiviert antritt. Darauf müssen und werden wir vorbereitet sein. Auch wenn der Weg steiniger wird: Wir werden ihn gehen.“

Wie glücklich ist der Trainer mit seinem dritten Kader?
Sulewski: „Stand jetzt: sehr glücklich. Die Mädels, die bei uns geblieben sind, kennen wir; die, die aus der Zweiten hochgekommen sind, haben sich diesen Sprung verdient; und die Externen haben im Sichtungstraining sowas von überzeugt. Sie bringen Dinge mit, die wir brauchen.“

Schlenker: „Einen Wermutstropfen gibt es allerdings: die Kreuzbandverletzung von Ana Schönenberg im letzten Spiel der Saison. Sie hat im vergangenen Jahr in der zweiten Mannschaft gespielt und gehört jetzt zum Kader der ersten. Sie wird uns leider noch einige Monate fehlen.“

Das Ziel heißt Aufstieg?
Sulewski: „Ja.“

Schlenker: „Klar.“

… und dritte Punktspielsaison ohne Punktverlust?
Sulewski: „Das werden wir sehen. Unser Ziel ist es, in jedem Spiel unsere Stärken auf den Platz zu bringen und zu gewinnen.“

Man hat sich bewusst dafür entschieden – auch als Folge einer Mitgliederbefragung – den Weg von ganz unten zu gehen, Frauenfußball von der Pike auf bei Borussia Dortmund zu etablieren. Wie waren, wie sind auch aktuell, die Reaktionen aus der Bundesliga auf dieses Projekt?
Schlenker: „Grundsätzlich ist es positiv aufgenommen worden, dass wir es endlich geschafft haben, Frauenfußball bei Borussia Dortmund zu etablieren. Der eine oder andere wartet ungeduldig auf uns, aber es ist, wie es ist. Geduld zahlt sich im Leben meistens aus.“

Wann wird es so weit sein, dass ein Dortmunder Mädchen das schwarzgelbe Trikot im SIGNAL IDUNA PARK trägt?
Schlenker: „Da entscheidet der Moment. Wenn wir irgendwann das Gefühl haben werden, es wäre der perfekte Zeitpunkt, dann werden wir das ansprechen. Die Rote Erde ist jedenfalls eine großartige Heimspielstätte. Wenn es dort einmal voll werden würde, hätten wir einen Meilenstein erreicht.“

Wie haben die Dortmunder Kreis- und Bezirksligisten auf das Gastspiel von Borussia Dortmund in ihren Ligen geblickt?
Sulewski: „Die Reaktionen, dass der große BVB in der Fußballstadt Dortmund eine Frauenabteilung gründet, waren überwiegend positiv, auch wenn es für eine andere Mannschaft, die ansonsten ganz oben mitspielt, in dem einen Jahr eben nicht zum eigenen Aufstieg gereicht hat. Das ist die Kehrseite.“

2027 soll – wenn alles perfekt läuft – die erste Mannschaft in der Bundesliga, die zweite in der zweiten Liga und die U17 in der Juniorinnen-Bundesliga auflaufen. Welche Vorteile böte eine solche Verzahnung?
Schlenker: „Wir bauen eine zweite Mannschaft und eine U17 nicht aus reinem Spaß auf, sondern wollen davon profitieren, dass wir junge Talente früh in die U17 holen und die zweite Mannschaft dann dazu dient, den Sprung in den Erwachsenenbereich und damit in die erste Mannschaft zu erleichtern. Es ist ein deutlicher Unterschied, ob man gegen Juniorinnen spielt oder gegen Seniorinnen.“

Sulewski: „Grundsätzlich wäre es für den Frauenfußball in Deutschland wichtig, wenn ein so großer Verein wie Borussia Dortmund auch bei den Frauen ganz vorn mit dabei wäre. Unsere Ambitionen sind groß. Ohne einen entsprechenden Unterbau wäre das aber nicht möglich. Wenn man es dann auch noch schaffen sollte, gute Spielerinnen auszubilden, die den Sprung aus der eigenen Jugendmannschaft in die eigene Erste schaffen, wäre der Traum eines jeden Vereins erfüllt.“

Bis dahin sind es noch vier Jahre. Können bis dahin schon Synergien genutzt werden?
Sulewski: „Definitiv! Es sind ja nicht umsonst drei Spielerinnen aus der zweiten in die erste Mannschaft gekommen. Ich belohne Leistung und Einsatzwillen.“

Wie läuft das Projekt U17 an?
Schlenker: „Über das Sichtungstraining im Februar haben wir ja schon berichtet. Die Mannschaften sind Mitte Juli in die Saisonvorbereitung gestartet. Wir haben zum ersten Mal zwei WhatsApp-Gruppen eingerichtet: eine für die Spielerinnen, eine für die Erziehungsberechtigten. Zudem fand ein digitaler Elternabend statt, um alle Eltern abzuholen: Was kommt auf sie zu, was haben wir für Erwartungen? Was sind die Erwartungen an uns? Drei Tage später ging es das erste Mal auf den Platz. Da lernten sich dann auch die Mädchen kennen, die bisher nicht im Leistungskurs der Fußball-Akademie zusammengespielt haben. Anfang August waren wir für drei Tage im Trainingslager in Willingen.“

Welche administrativen Herausforderungen ergeben sich durch nun drei Teams?
Schlenker: „Wir benötigten vor allem eine frühe Trainingszeit für unsere U17. Die Frauen trainieren recht spät am Abend. 13-, 14-, 15- oder 16-jährigen Schülerinnen kann man aber nicht zumuten, abends um halb neun zu trainieren; erst recht nicht, wenn sie eine halbe Stunde Fahrweg haben. Deshalb mussten wir gemeinsam mit der Fußballakademie ein paar Stühle rücken.“

Thomas, Du firmierst seit Anbeginn als „Cheftrainer“. Beginnt nun die Zeit, in der dieser Zusatz mit Leben gefüllt wird, weil Du die Spielerinnen aus drei Mannschaften im Blick haben musst?
Sulewski: „Für mich änderte sich noch mehr. Zum 1. August habe ich eine feste Stelle an als Sportlicher Koordinator der Frauenabteilung angetreten. Dementsprechend wurden meine Aufgaben komplexer, umfangreicher und herausfordernder. Für die erste Mannschaft bin ich natürlich weiterhin als Trainer da.“

An welchen Stühlen wurde noch gerückt, Svenja?
Schlenker: „Annika Billig und Luisa Bergmann sind als Spielerinnen aus der ersten Mannschaft ausgeschieden. Annika ist jetzt Co-Trainerin der U17. Sie besitzt auch die entsprechende B-Lizenz. Luisa hält den Posten der Teammanagerin der U17 sowie der Zweiten inne. Thomas Sulewski ist, wie er gerade schon sagte, festangestellt und hat dadurch die Zeit, sich intensiv mit allen Mannschaften zu beschäftigen.“

Aus den Ideen und Visionen, die man gemeinsam im trüben Corona-Winter 2020/21 verfolgte, ist eine starke Abteilung geworden. In die Rolle von Ex-Profi und Champions-League-Sieger Christian Timm schlüpft nun Thomas Sulewski. Annike Krahn, Teammanagerin der U17-Nationalmannschaft, bleibt als Beraterin mit dabei. Ihre Expertise ist weiterhin gefragt gerade mit Blick auf den BVB-Nachwuchs. Hier wird das nächste Kapitel aufgeschlagen.
Interview: Boris Rupert 
Fotograf: David Inderlied

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