Spielbericht
1:2 in Madrid – Hallers Tor lässt Borussia hoffen
Es berichtet Boris Rupert
In atemberaubender Atmosphäre lag Borussia bereits nach einer halben Stunde durch die Gegentreffer von de Paul (4.) und Lino (32.) verdient mit 0:2 in Rückstand, fand erst gegen Ende der ersten Hälfte ins Spiel, war dann optisch dominant, zunächst ohne Durchschlagskraft, ehe ein Geniestreich von Brandt und Haller das wichtige Tor brachte (81.). Bynoe-Gittens traf kurz danach die Torlatte, in der Nachspielzeit landete Brandts Kopfball am Pfosten.
Ausgangslage:
Die Mannschaft von Diego Simeone setzte sich in der Gruppe E gegen Lazio Rom (2:0, 1:1), Feyenoord Rotterdam (3:2, 3:1) sowie Celtic Glasgow (6:0, 2:2) ungeschlagen durch und kassierte die bislang einzige Niederlage im Achtelfinal-Hinspiel bei Inter Mailand (0:1). Der BVB gewann die Gruppe F mit Paris Saint-Germain, AC Mailand und Newcastle United (drei Siege, zwei Unentschieden, eine Niederlage) und setzte sich im Achtelfinale gegen PSV Eindhoven (1:1 A, 2:0 H) durch. In drei der vorangegangenen vier K.o.-Duellen mit Kontrahenten aus Spanien behielt Borussia die Oberhand. In Gastspielen bei Atletico standen ein Sieg (1996), ein Unentschieden (1966) sowie eine Niederlage (2018) zu Buche.
Personalien:
Bis auf Ramy Bensebaini und Donyell Malen war der komplette Profikader angereist. Mats Hummels lief zum 500. Mal in einem Pflichtspiel für den BVB auf. Mit einer Ausnahme war es die gleiche Elf wie zuletzt gegen Stuttgart: Felix Nmecha ersetzte Julian Brandt.
Taktik:
Das ging einher mit einer leichten taktischen Verschiebung vom 4-2-3-1 zum 4-3-3 mit Can allein vor der Abwehr, Nmecha und Sabitzer als Achter sowie Sancho, Füllkrug und Adeyemi (diesmal wieder links) im Angriff. Atletico verteidigte im 5-3-2 und wechselte bei Ballbesitz in eine 3-5-2-Formation, überbrückte das Mittelfeld mit wenigen Kontakten, häufig mit langen Bällen, suchte die Tiefenläufe.
Spielverlauf & Analyse:
Schwarzgelb lief nach wenigen Sekunden in einen gefährlichen Konter, stand von da an unter Druck, kassierte früh das 0:1 und zeigte sich in der Folge beeindruckt. Zunächst stürmte Morata nach einem langen Diagonalball frei aufs Tor zu, doch Maatsen bügelte die Szene im letzten Moment mit einer starken Grätsche aus. Kurz darauf verhedderte sich der BVB in Atleticos Pressing, Kobel spielte den bereits in Bedrängnis stehenden Maatsen zentral vor dem Strafraum an, der brachte den Ball nicht mehr zum Mitspieler, sondern zu de Paul, der aus 13 Metern ins rechte untere Toreck traf. Genau drei Minuten und 59 Sekunden waren da erst gespielt, und kurz darauf verhinderte Kobel mit einer Parade gegen Witsel, der eine Griezmann-Hereingabe mit der Hacke Richtung langes Eck befördert hatte, das zweite Gegentor (7.). Möglicherweise wäre es aber vom VAR wegen einer Abseitsstellung kassiert worden.
Es dauerte eine gute Viertelstunde, bis der BVB das Geschehen etwas offener gestalten konnte, aber weiterhin zu schnell und zu einfach die Bälle hergab. Bereits in Minute 19 kamen die Gastgeber zu ihrer sechsten Ecke, die Torschussbilanz lautete im Anschluss daran 7:0, auch wenn der Abschluss deutlich vorbeiging. Die erste BVB-Ecke gab es nach exakt einer halben Stunde, und bei Nmechas anschließendem Kopfball wäre vielleicht mehr drin gewesen. Doch schon die nächste Szene brachte das 2:0. Nach einem Einwurf behinderten sich Hummels und Schlotterbeck, Griezmann schnappte sich die Kugel, chippte sie zum links neben ihm stehenden, im Rückspiel gelbgesperrten Lino, der technisch anspruchsvoll vollendete.
Aber auch Atletico machte Fehler. Torschütze de Paul unterlief ein solcher in der 35. Minute. Adeyemi wäre beinahe der Nutznießer gewesen, doch sein Schuss wurde noch geblockt, landete auf dem Tornetz. Insgesamt aber war das Dortmunder Aufbauspiel zu langsam, zu statisch – jedenfalls bis in die Schlussphase des ersten Durchgangs. Dann spielte die Mannschaft geradliniger. Adeyemi sorgte für Unruhe im Strafraum, der Ball prallte zwar ab, doch im Hintergrund kam Maatsen angerauscht, der voll draufhielt und Oblak zur ersten Parade zwang (43.). In der Nachspielzeit schoss Sancho rechts im Strafraum knapp vorbei.
Brandt kam für Nmecha aus der Kabine und initiierte direkt nach Wiederbeginn einen vielversprechenden Angriff. Doch am Ende bekamen die Kollegen den Ball nicht aufs Tor. In Minute 55 leitete Maatsen einen guten Angriff ein, Füllkrug wurde im Strafraum geklammert, er behauptete aber den Ball, legte ihn ab zu Brandt, der aus 18 Metern abzog. Abgefälscht und gegen die Laufrichtung des Keepers landete die Kugel auf dem Tornetz.
In Halbzeit zwei minimierte der BVB hinten die Fehler, ohne sie ganz abgestellt zu bekommen, und setzte vorne immer mehr Akzente. Nach einer Stunde kam Haller für Brandt, während Atletico defensiver wechselte: Stürmer Morata raus, Mittelfeldmann Barrios rein. Man wollte das 2:0 mitnehmen ins Rückspiel nach Dortmund. Der BVB arbeitete daran, diese Hypothek etwas abzutragen, hatte viel Ballbesitz, konnte den Riegel aber nicht knacken und hatte sogar Glück, als Lino nach einer Freistoßflanke rechts am Fünfer freistehend zum Abschluss kam, aber an einer herausragenden Tat von Kobel scheiterte (75.).
Sieben Minuten später. Borussia spielte durchs Zentrum, Brandt passte vorm Strafraum zu Haller, der aus der Drehung und aus etwa zwölf Metern halblinker Position zum 1:2 traf (81.). Der BVB setzte nach. Bynoe-Gittens abgefälschter Distanzschuss krachte an den Querbalken (87.), mit Abschluss der Nachspielzeit raufte sich Brandt die Haare, als sein Kopfball beinahe rechts oben im Winkel gelandet wäre, aber ans Aluminium knallte (90.+6).
Ausblick:
Die Entscheidung über den Einzug ins Halbfinale fällt bereits am kommenden Dienstag im Rückspiel im SIGNAL IDUNA PARK. Zuvor steht in der Bundesliga die Auswärts-Aufgabe bei Borussia Mönchengladbach auf dem Spielplan (Samstag, 15:30 Uhr).
Teams & Tore
UEFA Champions League, Viertelfinale, Hinspiel
ATLETICO MADRID – BORUSSIA DORTMUND 2:1 (2:0)
Atletico Madrid: Oblak – Witsel (90.+1 Savic), Gimenez, Azpilicueta – Molina (90. Niguez), Koke, Samuel Lino (90.+1 Riquelme) – Llorente, de Paul (80. Correa) – Griezmann, Morata (64. Barrios)
Bor. Dortmund: Kobel – Ryerson, Hummels, Schlotterbeck, Maatsen – Can (84. Özcan) – Sabitzer (84. Reus), Nmecha (46. Brandt) – Sancho, Füllkrug (60. Haller), Adeyemi (73. Bynoe-Gittens)
Bank: Gomis, Moldovan; Gabriel Paulista, Reinildo, Vermeeren, El Jebari – Lotka, Meyer; Süle, Wolf, Duranville, Moukoko
Tore: 1:0 de Paul (4.), 2:0 Lino (32., Griezmann), 2:1 Haller (81., Brandt)
Eckstöße: 8:9 (Halbzeit 8:3), Chancenverhältnis: 6:6 (4:2)
Schiedsrichter: Guida (Italien), Gelbe Karten: Lino, Llorente, Gimenez – Can, Maatsen
Zuschauer: 70.460 (ausverkauft), Wetter: wolkenloser Himmel, 19 Grad